KAPPADOKIEN | "FAIRY CHIMNEY INN" | PROJEKTE | DOKUMENTATION
Natur & Umwelt
Frühzeit & Geschichte
Kirchen & unterirdische Städte
Höhlenwohnungen & Regionalarchitektur
Kultureller Wandel
Tourismus
Reise- & Regionalinformationen
Photos & Videos
Internet-Links

 

Frühzeit und Geschichte

Neolithikum | Handel | Hethiter | Perser | R–mer | Tyana | Byzanz und Christentum | Heilige aus Kappadokien | Seldschuken | Islam | Mongolen | Osmanen | R”uber | Atat¸rk | Das Ende der Griechen | Tourismus


Die Geschichte Kappadokiens ist weitgehend erforscht, doch immer wieder gut für Überraschungen und Neudeutungen von alten Funden und Siedlungsresten. Erst kürzlich wurden bei der nahe von Ürgüp gelegenen Ortschaft Sahinefendi Mosaiken und Siedlungsreste aus frühbyzantinischer Zeit gefunden, die möglicherweise mit der bisher weitgehend unerschlossenen antiken Stadt Sebastos in Verbindung gebracht werden können.

Vorgeschichte / Jungsteinzeit
Die Anfänge der Besiedlung Kappadokiens reichen bis in das frühe Neolithikum (Jungsteinzeit) zurück. Etwa 6500 v. Chr. begannen nicht nur in der bei Konya liegenden Siedlung "Catal Höyük" erste Formen der gesellschaftlichen Spezialisierung, sondern auch im direkten Umkreis des heutigen Kappadokiens fanden sich Spuren einer neolithischen Besiedlung, die mit zu den ältesten der Menscheit zählen. Die Bewohner Anatoliens gingen in der jüngeren Steinzeit allmählich zum Ackerbau über und wurden sesshaft ("Neolithische Revolution").

Frühe Handelskontakte
Durch die bedeutenden Obsidianvorkommen in Kappadokien kam es schon früh zu umfassenden Handelbeziehungen mit Mesopotamien und den levantinischen Kulturen, die jenes vulkanische Glas zur Herstellung von Ackergerät benötigten. Ob die frühen Siedler bereits Höhlenwohnungen in den Tuff geschlagen haben, lässt sich bislang nicht belegen, ist jedoch zumindest in Einzelfällen anzunehmen.

Tumulus-Grab
Bei den Ausgrabungen am Asikli-Tumulus, der nahe dem Ihlara-Tal (Provinz Aksaray) liegt, kam das bisher früheste Beispiel von mit Sandkleie verputzten Lehmbauten in Kappadokien ans Tageslicht. Hier wurden auch tausende von Obsidianmessern und -pfeilspitzen gefunden, die mit den im übrigen Anatolien geborgenen nicht die geringste Ähnlichkeit haben. Sorgfältig bearbeitete Steinbeile, Gebrauchsgegenstände und Schmuck aus Knochen und Stein sowie einige schwach gebrannte Tonfigürchen kamen hinzu. Ihre Toten haben die frühen Siedler in Hockerstellung begraben.

Schädeloperation vor mehr als 5000 Jahren
Der Schädel des Skelettes einer etwa 25 Jahre alten Frau, die im Asikli-Tumulus entdeckt wurde, ist trepaniert ("Trepanation" = Anbohren der Schädeldecke für einen operativen Eingriff am Gehirn). Diese Schädeloperation zählt weltweit zu den ersten und zeigt bereits den ausgeprägten Forschungsdrang dieser frühen Bewohner. Aus der Menge der Funde ist zu schließen, dass im Neolithikum weitaus mehr Menschen in Anatolien gelebt haben, als bisher angenommen wurde.

Bronzezeit
Bronze statt Kupfer Um 3000 v.Chr. setzt sich allmählich ein neuer Werkstoff durch - Bronze. Handwerksgerät, Schmuck und Waffen werden zunehmend aus diesem Metall hergestellt, das widerstandsfähiger und leichter zu bearbeiten ist als das bis dahin verbreitete Kupfer. In vielen Gegenden Anatoliens werden nun verstärkt befestigte Siedlungen bzw. Fürstensitze angelegt. Es kommt zu ausgeprägten Handelsbeziehungen der assyrischen Kaufleute mit Mesopotamien, die nicht nur seltene Mineralien und Erze, sondern auch Duftessenzen, Kräuter und Stoffe neben vielerlei anderen Gütern tauschten.

Hatti und Hethiter
Im Zentrum Anatoliens breiten sich etwa seit der Mitte des 3. Jt. v.Chr. (späte Bronzezeit) in kleinen Gruppen die indogermanischen Hethiter aus. Sie lösen zwischen ca. 1600 und 1200 v.Chr. die Vorherrschaft der im zentralen Kleinasien bis dahin dominierenden anatolischen Hatti ab und regieren erst in Kanesch (18. Jh. v.Chr.) in Kappadokien, bis sie ihr Imperium im 16. Jh. v.Chr. in "Hattuscha" (östlich von Ankara) ausbauen, von wo aus sie weite Teile Kleinasiens beherrschen. Kappadokien gehört zum Kerngebiet der Hethiter, deren Einfluss in der zweiten Hälfte des 2. Jt. über fast ganz Anatolien und zeitweise sogar bis nach Troia an der ägäischen Küste reicht.

Wirtschaftszentrum Kültepe
Am Übergang von der vorhethitischen zur frühhethitischen Zeit zählt Kültepe, Residenz eines einheimischen Fürsten mit der assyrischen Handelsniederlassung Karum/Kanesch, nahe Kayseri zu den größten Städten Anatoliens um 1800 v.Chr. Obwohl auch die Hethiter Höhlen aus dem Fels schlugen, finden sich aus dieser Zeit bisher keine eindeutigen Beweise für eine hethitische Höhlenkultur im zentralen Tuffsteingebiet des heutigen Kappadokien.

Eisenzeit
Seit etwa 1200 v.Chr. kommt es im Zusammenhang mit dem Einbruch fremder Völker aus dem Norden ("Seevölkersturm") und dem wohl durch innenpolitische Schwäche, ja bürgerkriegsähnliche Zustände verursachten Untergang des Hethiterreiches zu größeren Völkerbewegungen in Kleinasien, aus denen in Zentralanatolien schließlich die Phryger als politische Großmacht hervorgehen. Doch können sich einige kleinere hethitische Fürstentümer und mit ihnen die hethitische Sprache - noch bis etwa 700 v.Chr. behaupten.

Das Geheimnis vom Göllüdag
Noch nicht recht gedeutet sind die Reste auf dem 2200 m hohen Göllüdagi aus späthethitischer Zeit (8. Jh. v.Chr.), die erst 1933 entdeckt wurden und in den letzten Jahren genauer untersucht werden konnten. Gefunden hat man eine 4 km lange Befestigungsmauer, die genau auf dem Kraterrand entlang läuft. Ob es sich hierbei um eine Stadt, eine Residenz, eine Burg oder um ein Heiligtum handelt, ist bisher ungewiss. Vermutlich war es eine Kombination von allem.

Unterirdische Städte und Fluchtburgen
Manche Forscher gehen davon aus, dass bereits zu jener Zeit die ersten Stufen der gewaltigen unterirdischen Stadt- und Verteidigungsanlagen von Kaymakli und Derinkuyu geschaffen wurden, die in mehreren Stockwerken und mit labyrinthartigen Gängen angelegt wurden. Deren Eingänge ließen sich mit mühlsteinähnlichen Rolltüren verschließen und hätten in idealer Weise auch als Bollwerke gegen die aus dem Süden immer heftiger nach Zentralanatolien eindringenden Assyrer dienen können. Tatsächlich sind jene Anlagen auf Grund eigener Brunnen und Vorratsräume, sowie eines ausgeklügelten Belüftungssystems bestens für Verteidigungszwecke geeignet. Aber auch zum Schutz vor Feuer, etwa gegen die zu jener Zeit durchaus noch möglichen Eruptionen der Vulkane Erciyes Dagi und Hasan Dagi hätten solche unterirdischen Höhlenanlagen gute Dienste leisten können. Jedoch ist anzunehmen, dass die größte Ausbauphase der unterirdischen Städte Kappadokiens erst während der Perser- und Arabereinfälle gegen die Byzantiner zwischen dem 6. und 8. Jh. stattfand.

Die Phryger
Kappadokien gehört im 8. und 7. Jh. v.Chr. zum phrygischen Einflussbereich und markiert die Ostgrenze des Phrygischen Reiches. Midas, der berühmteste König der Phryger, rückt möglicherweise bis Tyana im südlichen Kappadokien vor.

Sturm der Kimmerier
Die Zeit der Phryger beendet das Reitervolk der Kimmerier in der 1. Hälfte des 7. Jh., die vom Schwarzmeergebiet aus in Kleinasien einfallen. Nach ihrer Niederlage 585 v.Chr. durch die Meder lassen sich viele kimmerische Siedler in Kappadokien nieder, deren Nachkommen noch Jahrhunderte später dort leben und von den Armeniern offenbar Gamir genannt werden.

Meder
Kappadokien gerät ab 591/585 v.Chr. unter die Oberherrschaft der Meder. Diese, aus Persien stammende Herrscherdynastie baut Kappadokien als Grenzprovinz zum lydisch kontrollierten Teil Kleinasiens aus und gründet die Stadt Pteria auf dem Kerkenes Dagi.

Perser
Seit Kyros II. (546/5 v.Chr.) gehört Kappadokien zum nach Westen expandierenden persischen Achämenidenreich. Der später gebrauchte Name "Kappadokien" ist persisch- altorientalischen Ursprungs und kommt von "Katpatuka", was so viel wie "Land der schönen/rassigen Pferde" bedeutet. Kappadokien erfreut sich eine Zeit lang einer gewissen Selbstständigkeit und Friedens. Allgemein verbreitet war nun die Glaubenslehre des Zarathustra und der zoroastrischen Magiergenossenschaften (Magiaioi), die den Feuerkult einführen und ihre Opfer in Grotten und Höhlen an den als heilig geltenden, majestätisch aus der Ebene ragenden Vulkane Hasan- und Erciyes Dagi darbringen.

Urbanisierung und Hellenisierung
Städtegründungen im 1. Jh. v.Chr. (Garsauritis, dann Archelais, heute Aksaray) führen zu einer geringfügigen Urbanisierung des seit den Hethitern fast gänzlich städtelosen Zentrums Anatoliens. übernommen wird in den wenigen stadtähnlichen Siedlungen die griechische Städteverfassung, welche das persische Lehensrecht ablöst.

Seleukiden
Nach den rasanten Eroberungen Alexander des Großen herrscht das makedonische Geschlecht der Seleukiden von Antiocheia am Orontes (heute Antakya/Hatay) aus über Syrien und große Teile Kleinasiens. Zu ihrem Machtbereich gehört zeitweise auch Kappadokien, wo diese aber kaum Spuren hinterlassen haben.

Attaliden
Nach dem Frieden von Apameia 188 v.Chr. wird Kappadokien Pergamon zugeteilt, welches fortan die Ostgrenze des Pergamenischen Reiches bildet. Zeugnis dieser Zeit ist der Kult des "Zeus Sabazios", eines orientalischen Schutzgottes, der insbesondere in Phrygien und Kappadokien verehrt wurde und als Reiter oder thronender Gott, oft verbunden mit einer Schlange dargestellt wurde. Das Bündnis der in Pergamon residierenden Attaliden mit Rom bereitet den Boden für die intensiven Kontakte der Kappadokier mit den Römern in der Folgezeit.

Roms Griff nach dem Osten
Mit dem Tod des Ariarathes VIII. stirbt das kappadokische Königsgeschlecht aus. Rom, die bestimmende Macht in Kleinasien, erklärt Kappadokien daraufhin für frei, behält aber de facto die Kontrolle. Um die führenden Gesellschaftsschichten auf ihre Seite zu bringen erteilt Rom die Genehmigung, dass sich die Kappadokier ihren eigenen König wählen dürfen. 95 v.Chr. fällt deren Wahl auf Ariobarzanes I. Philorhomaios ("der Römerliebende").

Armenisches Intermezzo
Kappadokien untersteht von 77 bis 65 v.Chr. dem König Tigranes II. (96-55 v.Chr.) von Armenien, der ausgehend von einem Gebiet östlich von Kappadokien sowohl Kilikien als auch Kappadokien erobert. Die Residenz des Tigranes wurde weit in den Westen nach Tigranokertes (heute Farkin) in Kappadokien verlegt, das allerdings schon bald von den römischen Feldherren Lucullus und Pompeius geplündert und zerstört wurde.

Römische Zeit
Für Rom ist Kappadokien von großer Bedeutung wegen seiner strategischen Lage am Ostrand des Reiches sowie wichtiger Fernstraßen zum Euphrat und nach Syrien, über die der lukrative Handel mit Gewürzen und anderen Gütern des Orients läuft. Nach dem Tod des letzten kappadokischen Königs Archelaos 17 n.Chr. wird Kappadokien unter dem Kaiser Tiberius von Rom annektiert und von einem ritterlichen Procurator als Provinz Cappadocia zusammen mit Kommagene verwaltet, einer Landschaft östlich Kappadokiens, die stark von Persien, aber auch von der griechischen Kultur beeinflusst war, die bis zum 1. Jh. v.Chr. ein unabhängiges Königreich war. Bekannt sind die Ruinen auf dem Nemrut Dagi, die heute ein beliebtes Ausflugsziel darstellen. Die römische Kultur erreicht Kappadokien aber nur langsam und meist oberflächlich.

Provinzreform & Frontgebiet
76 n.Chr. wird eine neue römische Provinz mit Cappadocia, Armenia Minor und Galatia (sowie Kilikien) gebildet. Komana/Comana, das Zentrums des ehemaligen Priesterstaates, wird Stadt und erhält den Namen Hierapolis ("heilige Stadt"). Trajans Provinzreform Zwischen 107-113 n.Chr. wird erneut das Provinzgefüge geändert. Trajan gründet eine Provinz im Herzen Anatoliens mit Kappadokien und (Ost)Pontus. Kappadokien entwickelt sich hierbei zum Aufmarschgebiet römischer Truppen gegen die immer gefährlicher werdenden Parther im Osten.

Apollonios von Tyana
In der Zeit der severischen Kaiser (um 200 n.Chr.) lehrt Apollonios von Tyana, der in einem Dorf in der Nähe von Tyana aufgewuchs. Er besitzt selbst in der römischen Kaiserfamilie große Anhänger. Apollonios wird der philosophischen Richtung der Neupythagoreer (Einflussreiche Philosophierichtung in der römischen Kaiserzeit mit Verbindung von religiösen Elementen) zugeordnet und versucht das Leben des griechischen Philosophen Pythagoras nachzuleben. Sein Biograf, Philostrat, schildert ihn als besonders frommen Menschen, der auch allerlei Wunder bewirkt haben soll.

Philosoph oder Schwindler
Seine Verehrung erreicht unter den Severern einen Höhepunkt, die sich darin ausdrückt, dass der römische Kaiser Caracalla Appollonius ein Heroon errichten lässt. Doch gibt es nicht nur Bewunderer. Lukian etwa betrachtet ihn als Schwindler. Gewisse Ähnlichkeiten zu Christus hinsichtlich der Wundertätigkeit werden als so stark empfunden, dass er sogar zeitweise als Konkurrent für Christus eingeschätzt wird. Der Glaube, Wunder bewirken zu können, ist in der hellenistischen und kaiserzeitlichen Epoche im ostmediterranen Raum weit verbreitet.

Die Goten in Anatolien
Seit 250/60 n. Chr. fallen die germanischen Ostgoten in Kleinasien ein und zerstören bis 280 zahlreiche Städte ( Assos/Troia/Pergamon/Ephesos). Auf ihrem Eroberungszug kommen sie bis Kappadokien und Zentralasien. Die Bekehrung der Goten zum Christentum hängt vermutlich mit christlichen Gefangenen aus Kappadokien zusammen. Die christlichen Großeltern von Wulfila (um 311-383), dem Missionar der Goten, sind aus Kappadokien entführte Gefangene. Im antiken Caesareia, dem heutigen Kayseri, wird daraufhin als Schutz vor den Überfällen der Goten eine verstärkte Stadtmauer errichtet, die teilweise bis heute erhalten ist.

Eine arabische Königin
Die arabische Königin Zenobia (267-272 n.Chr.) vom Oasenstaat Palmyra in der syrischen Wüste erhebt sich gegen Rom und überfällt Kleinasien. Dabei gelangt sie bis Kappadokien und Ankyra (heute Ankara), bevor sie von den Römern besiegt wird.

Der heilige Hieronymos
Im 3. Jh. lebt der heilige Hieronymos im Bereich von Göreme in selbst gewählter Abgeschiedenheit. Er ist unser erster Zeuge für christliches Leben in den Felsen Kappadokiens.

Christenverfolgung und Märtyrer
Das 3. Jh. ist das Jahrhundert der Märtyrer. Der heilige Mamas, der in Kappadokien besonders verehrt wird, und Hieronymos aus Matiana (der heutigen Ortschaft Göreme) werden in diesem Jahrhundert hingerichtet. Ihre Ermordung hängt mit der großen Christenverfolgung im Römischen Reich unter dem römischen Kaiser Diokletian zusammen. Auch andere Personen wie der Kappadokier Gordios werden wegen ihres christlichen Glaubens in jener Zeit zum Märtyrer.

Parther / Sasaniden
Unter ihrem König Schapur I. (243-273 n.Chr.) fallen im Jahr 260 n.Chr. Sasaniden in Zentralanatolien ein, die den römischen Kaiser Valerian gefangen nahmen. Von der Eroberung betroffen sind besonders der Süden Kleinasiens, aber auch das Hochland mit Kappadokien.

Zentrum der Theologie
Kappadokien entwickelt sich im 3./4. Jh. zum Zentrum christlicher Theologie. Berühmte Gelehrte wie Alexander von Kaisareia (um 200) und Firmilian von Kaisareia (um 250), Freund des Origenes, des größten Theologen der frühchristlichen Kirche, lebten und wirkten in Kappadokien. Auch Aristaios, Sophist aus Kappadokien (um 300) und Schüler des Lukian, gehört zu den bedeutsamsten (gemäßigten) arianischen Rednern und Schriftsteller der damaligen Zeit.

Das Ende der Tempelstaaten
Konstantin d.Gr. (reg. 305-337 n.Chr.), der als erster römischer Kaiser das Christentum anerkennt, macht im 4. Jh. den immer noch einflussreichen heidnischen Tempelstaaten Kappadokiens ein Ende. Schon unter ihm ist die Spaltung des Römischen Reiches in eine Ost- und Westhälfte spürbar, wenngleich nach außen hin die Einheit noch gewahrt bleibt. Im Jahr 476 wird der letzte römische Kaiser Augustulus abgesetzt. Damit ist die Trennung auch de jure vollzogen.

Das Ende der heidnischen Kulte
363 wird auch der Tempel der Fortuna in Caesarea zerstört, nachdem die Heiligtümer des Zeus und Apollon bereits verwüstet waren. Ein letzter Versuch die heidnischen Götter wieder einzusetzen unternahm der römische Kaiser Julian Apostata ("der Abtrünnige"). Heidnische Kultstätten werden noch immer genutzt. In Troia-Ilion oder in Rom opfert man noch den alten Göttern. Doch die Verfolgung der Christen im 3. Jh. kehrt sich zur Drangsalierung der Anhänger heidnischer Kulte durch die Christen im 4. Jh. um, als Theodosius d.Gr. die Schließung der Tempel anordnet und die Ausübung der Tieropfer endgültig verbietet. Das Christentum hat sich als alleinige Staatsreligion durchgesetzt.

Armenisches Königreich
Wie schon im 1. Jh. v.Chr. regiert auch im 6. Jh. n.Chr. vorübergehend ein armenisches Herrschergeschlecht in Kappadokien. In Armenien ist seit dem 4. Jh. das Christentum Staatsreligion (Abb. armen. Kirche?).

Byzanz und Christentum
Die Einheit des Christentums blieb wesentlich länger erhalten als die politische Einheit des Römischen Reiches, welche bereits zwischen dem 4. und 6. Jh. zerbrach. Als Beginn des Byzantinischen Zeitalters können verschiedene Ereignisse zwischen der Gründung der neuen Hauptstadt Konstantinopel 324 bzw. 330 durch Konstantin d.Gr. und dem Tod des Theodosius d.Gr. (um 400) angesehen werden, dem die Teilung des Reiches bald folgte (Abb. Hagia Sophia).

Spaltung der Kirche
Erst mehr als 600 Jahre später, im Jahr 1054, spaltete sich auch die Kirche in eine römisch-katholische im Westen und eine griechisch-orthodoxe im Osten. Daneben gab es auch noch die armenische Kirche und weitere christliche Richtungen. Doch bereits seit Jahrhunderten hatten im Christentum verschiedene Strömungen geherrscht, die zu großen Spannungen und unterschiedlichen Entwicklungen in der Glaubensauffassung und Liturgie geführt hatten (Abb. Tyana).

Georg - ein Heiliger aus Kappadokien
Einer der bedeutendsten Heiligen der Christen, der heilige Georg, der auf seinem Schimmel gegen einen Drachen kämpft und ihn mit seiner Lanze tötet, stammt aus Kappadokien. Hervorgetreten ist er dadurch, dass er gegen die Verfolgung der Christen besonders mutig einschreitet. Als er aber Diokletian sogar in dessen Gegenwart dafür kritisiert, wird er verhaftet und 303 in Nikomedia in Kleinasien enthauptet.

Patron der Reiter
Aufgrund der Darstellung als Reiter wurde Georg zum Patron der Reiter und der Kavallerie in vielen Armeen der Welt. Sein Bild wurde selbst auf seldschukischen Münzen um 1200 unter Süleyman II. und Key-kubat (I.?) Anfang des 13. Jh. dargestellt. Der Ursprung des Reiterbildes wird in Mithras vermutet, der ebenfalls als Gott der Pferde galt und in Kappadokien beheimatet war. Offensichtlich wurde das Bild des reitenden Gottes in die Ikonographie des christlichen Heiligen übertragen. Somit scheint - Ironie der Geschichte - durch das Bild des heiligen Georg, der die Götzenverehrung so streng verurteilt hatte, gerade ein heidnischer Gott aus dem 2. Jt. v.Chr. bis auf den heutigen Tag durch. Das Bild des kappadokischen Heiligen findet sich in vielen Kirchen rund um Göreme.

Das goldene Zeitalter
Kappadokien wurde bereits von dem Apostel Paulus 53 n.Chr. auf seinem Weg nach Galatien missioniert. Die christliche Blütezeit erlebte Kappadokien hingegen im 4. Jh. Mehrere bedeutende Kirchenlehrer der orthodoxen christlichen Kirche stammten aus Kappadokien: Basileios der Große aus Kaisraeia (um 330-379), sein jüngerer Bruder Gregor von Nyssa (um 335-394) sowie Gregor von Nazianz (um 330 - um 390). Das 4. Jh., in dem dieses Dreigestirn orthodoxer Theologen wirkten, ist die Zeit, in dem sich das Christentum durchsetzte und zur Staatsreligion im Römischen Reich aufsteigt. Zugleich verstärken sich auch inhaltliche Gegensätze, die letztlich zur Spaltung der orthodoxen von der römisch-katholischen Kirche führen.

Das Ende der Eremiten
Basileios d.Gr. ging verstärkt auch gegen die von ihm so genannte Selbstgefälligkeit der Eremiten vor, die bis dahin die abgelegenen Täler Kappadokiens nutzten, um dort als Anachoreten in einfachen Höhlenklausen hausend ein gottgefälliges Leben führen wollten. Vom Weltmann Basileus ist dazu folgendes überliefert: "Wer aber abgesondert für sich allein lebt, der macht die Gnadengaben, die er vielleicht empfangen hat, durch den Nichtgebrauch unnütz, indem er sie in sich vergräbt. Die erste und größte (Gefahr) ist das Wohlgefallen an sich selbst, denn, da er niemanden hat, der sein Tun und Treiben prüfen kann, so wird er meinen, das Gebot vollkommen zu erfüllen. Zudem ist es in der Abgeschiedenheit nicht leicht, seine eigenen Fehler kennen zu lernen, weil man niemanden hat, der einen zurecht weist und sanft und mitleidsvoll bessert."

Der Heilige Basileios d.Gr. zu den Höhlenwohnungen
"Sie folgten dem Ruf der Höhlen in den Felsen." (Brief 223, 204)

Das kappadokische Dreigestirn
Gregor von Nazianz, griechischer Theologe stammte aus dem Dorf Arianzos bei der kappadokischen Stadt Nazianzos (Gelveri/Güzelyurt) und brachte es bis zum Erzbischof von Konstantinopel. Gemeinsam mit seinem Freund Basileios d.Gr. und dessen Bruder Gregor von Nyssa war er Wegbereiter des Trinitarischen Bekenntnisses, wonach es sowohl eine göttliche als auch eine menschliche Natur des Christus gibt (Wesenseinheit von Gott, Christus und dem Heiligen Geist). Diese Glaubensrichtung stand im erbitterten Widerstreit mit dem Arianismus, der sich auf Arius, einem Presbyter aus Alexandria, stützte und Christus mit Gott gleichsetzte.

Gregor von Nazianz
"Die selbstgewölbte Wohnung von Felsen soll dich bergen und schlichtes Werk der Stunde, wenn Not tut sich zu mühen. Ein Kleid nach rechtem Schnitte vom Haare der Kamele. Zur Streu nimm, was sich bietet: Kräuter und Zweige dienen zum purpurnen Gelege, das gern der Gäste wartet. Und dort wird auf dem Tisch dir süßduftend aufgetragen, was uns die liebe Erde an schlichten Gaben bietet."

Gregor von Nyssa
Der heilige Gregor war Bischof in Nyssa (heute Nevsehir). Er stand auf dem wichtigen Konzil 381 in Konstantinopel in der Frage der Wesenheit des Christus auf der Seite des Gregor von Nazianz und Basileios d.Gr., dessen jüngerer Bruder er war. Bereits ihr Vater war ein bedeutender Bischof in Caesarea (heute Kayseri).

Riss durch Kappadokien
Kaiser Valens teilte 371 Kappadokien in zwei Provinzen, um den Einfluss von Basileios d.Gr. zu mindern und die Arianer zu stärken. Tyana wurde Hauptstadt der neuen arianisch geprägten Provinz Cappadocia secunda (Abb. Kemerhisar), Caesarea/Kaisareia der orthodox bestimmten Cappadocia prima (Abb. Kayseri). Der Riss der Glaubensüberzeugungen ging in jener Zeit mitten durch Kappadokien.

Christen auf der Flucht
Seit 574 n.Chr. fallen verstärkt feindliche Gruppen aus Persien in das byzantinische Kappadokien ein und eroberten im Jahre 605 Kaisareia/Caesarea. Es gewann ein neuer Aspekt der christlichen Siedlungsweise an Bedeutung. Immer mehr Glaubensbrüder und Schwestern aus den umliegenden Regionen flüchteten in die unzugänglichen Tuffgebiete Kappadokiens.

Höhlen als Schutz
Die künstlich gestalteten Höhlenanlagen dieser Zeit wurden nun vor allem unter verteidigungsstrategischen Gesichtspunkten konzipiert, wobei die meisten Höhlenwohnungen und unterirdischen Kirchen mit verschließbaren Tunnels und Fluchtschächten ausgestattet werden. überall entstehen neue Höhlendepots und Zisternen, um die rasant wachsende Bevölkerung und Flüchtlingsströme ernähren zu können. Wahrscheinlich stammt auch ein Großteil der unterirdischen Städte in ihrer jetzigen Ausdehnung aus dieser Zeit. Viele dieser Höhlenanlagen sind untereinander weitläufig verbunden, um ein möglichst hohes Maß an Sicherheit gewährleisten zu können. Dies blieb bis zum Jahre 642 n. Chr. von Bedeutung, als arabische Gruppen nach Kappadokien eindrangen.

Einfälle der Isaurier und Hunnen
Einfälle der Isaurier aus dem südwestlichen Bergland Kleinasiens und der Hunnen aus dem fernen Osten führen in Kappadokien vorübergehend zu Unsicherheit und Verwüstung.

Araber auf dem Vormarsch
Die islamischen Araber stehen erstmals vor den Toren des christlichen Kappadokien. 647 und 726 fallen Araber erneut in Kappadokien ein und nehmen Kaisareia ein. Einige Jahre später wird Kappadokien noch einmal für einige Zeit von den persischen Sasaniden besetzt.

Angst und Schrecken
Nach einem kurzen Intermezzo der Sasaniden erlitt Kappadokien zwischen dem 7. und 10. Jh. weitere, teils schwere Arabereinfälle, die das Leben erheblich beeinträchtigten. Die Christen ziehen sich in abgelegene und schwer zugängliche Gegenden wie Korama (Göreme), Matiana, oder Peristrema zurück. Auch die unterirdischen Städte und Fluchtburgen werden allerorts wieder verstärkt benutzt und ausgebaut.

Ikonoklasmus
726-843 setzen sich die Anhänger des Ikonoklasmus durch. Die Bemalung der Höhlenkirchen ist in dieser Zeit einfach und vorrangig dekorativ. Die Verehrung von Bildern, sogar schon die Darstellung christlicher Szenen, gilt als Götzendienst. Viele prächtige ältere Bilder werden in dieser Zeit zerstört. Doch bleiben im abgeschiedenen Kappadokien, wo viele Mönche weiterhin Bilder verehrten, auch Darstellungen vor der Zerstörungswut des christlichen "Bildersturms" verschont.

Endgültige Niederlage der Araber
Nach den schweren arabischen Überfällen seit dem 8. Jh. besiegten 863 die Byzantiner die Araber, die unter der Führung des Emirs von Melitene (Malatya), Omar, standen. Der byzantinische Kaiser Michael III. triumphierte in der Nähe der kappadokischen Ihlara-Schlucht ("auf der Wiese des Bischofs", heute Melendiz Ovasi). Es brach eine längere Phase der Ruhe an. Das christlich-byzantinische Mönchsleben erreichte einen Höhepunkt.

Ende des Bildersturms
Nach dem Ende des Bilderverbots entfaltete sich eine nie gekannte Blüte der figürlichen Darstellungen, zu denen die meisten der heute zu bewundernden Bilder zählen. Bis ins 10. Jh. herrschte ein freier symbolischer Stil mit Tieren, Pflanzen und Menschen vor. Später bildete sich eine von vielfigurigen Bildern geprägte prächtige Ausstattung aus

Byzantinische Rückeroberung
Kappadokien fiel erneut in die Hände von Gegnern der Byzantiner, bis 963-969 die Rückeroberung durch Kaiser Nikephoros II. Phokas folgte, der wie auch seine Nachfolger die Reichsgrenze noch einmal bis nach Mesopotamien und Palästina vorschieben konnte. Nikephoros, der auch sonst die Klostergemeinschaften Zentralanatoliens förderte, pilgerte 964/5 selbst in die Gegend von Göreme, woran ein Fresko in der Ortschaft Cavusin erinnert. Allerdings untersagte er die Gründung neuer Klöster.

Seldschuken erobern Anatolien
Zu Beginn des 11. Jh. verändert sich die Machtkonstellation nachhaltig. Die aus dem Osten stammenden türkischstämmigen Seldschuken steigen zur Großmacht in der islamischen Welt auf. Die Heimat der Seldschuken lag ursprünglich nahe des Altai-Gebirges in Zentralasien. 1055 nehmen die Seldschuken Bagdad, 1070 Jerusalem ein. Einige Jahre später wird auch Anatolien und Kappadokien durch Turkstämme erobert, nachdem die Seldschuken 1071 unter Führung des in Bagdad residierenden Alp Arslan (der Löwe) das byzantinische Heer des Kaisers Romanos IV. Diogenes in der Schlacht von Malazgirt (Manizkert) am Van-See vernichtend geschlagen hatten. Von dieser Niederlage erholte sich Byzanz nicht mehr und der Anfang vom Ende des Oströmischen Reiches war besiegelt.

Rumseldschuken
In Kleinasien machte sich nun ein Zweig der Seldschuken selbstständig, der Rumseldschuken genannt wird, welche sich durch ihr hohes kulturelles Niveau und auch Toleranz den christlichen Gruppen Kappadokiens gegenüber auszeichneten. Die endgültige Niederlage der Byzantiner durch die Seldschuken erfolgt unter Kilic A(r)slan 1147. Die Rumseldschuken erkoren zunächst Nikaia/Nicaea (Iznik) zur Hauptstadt ihres Reiches, mussten sich aber durch die vorübergehend erstarkenden Byzantiner bald wieder nach Osten zurückziehen. Daraufhin wurden die Städte Karaman, Ikonion (Konya) und Kaisareia (Kayseri) zu ihren Zentren ausgebaut. Politischer Höhepunkt war die 1. Hälfte des 13. Jh. in der es auch zur Blüte des rumseldschukischen Kunsthandwerks und des Bauwesens kam.

Islam & Gelehrsamkeit
Bereits die seit dem 7. Jh. nach Kleinasien vordringenden Araber brachten die islamische Religion nach Anatolien, doch konnte er sich gegen die christianisierte Bevölkerung kaum durchsetzen. Erst mit den Seldschuken und dem Untergang des Byzantinischen Reiches setzte sich der Islam als dominate Religion weitverbreitet in Anatolien durch. Auch die Gelehrsamkeit erreichte nun ein hohes Niveau und Dichtung, Sufismus und Weltoffenheit waren kulturbestimmend für große Teile Anatoliens. Derwishklöster wie die um den in Konya residierenden Sufi Mevlana Jalalluddin Rumi oder des volkstümlicheren Haci Bektas gewannen in diesen Zeiten zunehmende Bedeutung.

Christliche Nachblüte in islamischer Zeit
Die letzte Blüte der christlichen Kultur fällt nach heutigem Wissen in die Zeit der Seldschukenfürstentümer (13/14. Jh.), als Kappadokien bereits zum islamischen Kulturbereich gehörte. Noch in dieser Zeit wurden neue Höhlenkirchen von den Kappadokiern gegraben oder alte mit neuen Fresken ausgeschmückt. Dennoch war die Zeit des byzantinischen Christentums in Zentralanatolien vorüber und viele Glaubensbrüder zogen in die neu entstehenden christlichen Zentren im Norden Griechenlands ab (z.B. Athos), wo bis heute viele alte Schriftstücke aus den ehemaligen Kerngebieten Kappadokiens aufbewahrt werden.

Zerfall der christlichen Hochkultur
In der Folgezeit verfiel die christliche Hochkultur Kappadokiens immer mehr. Überliefert ist die Besiedlung von Mönchsgruppen noch bis ins 15. Jh. hinein, wobei jedoch fast keine neue Kirchenbauten mehr angelegt wurden. Statt der byzantinischen Klostergemeinschaften bewohnten nun zunehmend einfachere christliche Bauern griechisch-anatolischer Kultur die Täler Kappadokiens, die weitgehend in ihren eigenen Ortschaften isoliert bleiben und sich kaum mit den zunehmend nach Zentralanatolien einwandernden türkischen Gruppen mischten.

Mongolenstürme
Um 1335 verwüstet der Mongolenstamm der Ilhanen Kappadokien und übernimmt für einige Jahre Zeit die Herrschaft. Unter dem mongolischen Fürst Eretna wird in Nigde eine Hallenmoschee errichtet (Sungur-Bey-Moschee). Das christliche Leben versiegt in dieser Zeit fast völlig.

Die Zeit der Kleinemirate
Im 14. Jh. entstehen zahlreiche turkmenische Kleinemirate in Kleinasien, während die Dominanz der Rumseldschuken verschwinden.

Die Osmanen
Ein Stamm unter seinem Führer Osman aus der Nähe von Bursa steigt nun um das Jahr 1300 zur mächtigsten Fürstendynastie auf und erweiterten seinen Machtbereich zu Lasten der Nachbaremirate und des restlichen Byzantinischen Reiches. Die Osmanen bleiben letztendlich bis zum 1. Weltkrieg an der Herrschaft über Kleinasien und führen das Osmanische Reich zwischenzeitlich zu großem Aufstieg, dessen Machtbereich von Wien bis zur arabischen Halbinsel reichte.

Tulpenepoche
Anfang des 18. Jh. bricht ein aufgeklärtes osmanisches Zeitalter an, das durch ein wachsendes Interesse an Europa gekennzeichnet ist. Auch umgekehrt entsteht ein zunehmendes Interesse des Westens an der Kultur des Vorderen Orients. Die ursprünglich im 16. Jh. aus der Türkei von dem flämischen Edelmann und Gesandten Ogier Ghiselin de Busbecq exportierte Tulpe, deren Zwiebeln damals mit Gold aufgewogen wurden, wird nun zum Symbol dieser Epoche (Tulpenzeit = "lale devri").

Ibrahim Pasha
Einer der maßgeblichen Förderer der aufgeklärten Geistesströmung ist der aus Nevsehir in Kappadokien stammende Großwesir Damad Ibrahim Pasha, Schwiegersohn des Sultans Süleyman des Prächtigen. Dieser hatte sich in späteren Jahren verstärkt um den Ausbau und die Entwicklung seiner Heimatregion gekümmert und bis heute prägen seine prächtigen Moscheebauten, Hamams und Straßenzüge das heutige Stadtbild der sich rasant modernisierenden Provinzhauptstadt.

Räuberbanden
Im 17.Jh. machten die Räuberbanden des Dschelai das Kerngebiet von Kappadokien unsicher. Zwar gab es inzwischen in den meisten Ortschaften osmanische Verwalter (pashas), die in der Region für Ordnung sorgen sollten, doch bot die unübersichtliche Region genügend Gelegenheit, in der Bevölkerung für Unruhe zu sorgen. Selbst heute noch wird von den alten Bewohnern Göremes berichtet, dass eine Rüberbande viele junge Mädchen der Umgebung raubten und in einer besetzten Felsenburg names "K¶z Kalesi" (= Mädchen-Burg) zwischen Göreme und Cavusin festhielten. Diese Banditengruppe ging als "Ayag¶ Keceliler" (= Filzfüße) in die Erählungen ein, da jene Filzstreifen um ihre Füße gewickelt hatten, um sich nächtens lautloser anschleichen zu können. Erst nach einem blutigen Schwertergemetzel (woher auch der lokale Flurname "Kiliclar" (= Schwert) als Bezeichnung für dieses Tal stammt) konnten die Einwohner ihre gekaperten Mädchen wieder zurückerobern. Vielleicht stammt aus dieser Zeit auch das verstärkte Schutzbedürfnis der ortsansässigen Bevölkerung, selbst in den Obergeschossen die Fenster zu vergittern und Innenhöfe und auch einzelne Ortsviertel mit einer oft über vier Meter hohen Umfassungsmauer abzuschirmen.

Mustafa Kemal Atatürk
Mit der Niederlage des Osmanischen Reiches gründete der türkische General Kemal Mustafa Pasha, später als "Atatürk" bekannt, 1923 die neue Republik Türkei, die er durch massive kulturelle und gesellschaftliche Veränderungen (lateinisches Alphabet, westliche Zeitrechnung, Frauenwahlrecht, Verbot islamischer Machtsymbole, Trennung von Staat und Religion, industrielle Erneuerungen etc.) an die westliche Welt binden wollte.

Griechisch-türkischer Bevölkerungsaustausch
1922 konnte der Versuch einer griechischen Eroberung abgewendet werden. Als Folge dieses türkischen Freiheitskrieges findet ein vertraglich geregelter Bevölkerungsaustausch zwischen Griechenland und der Türkei statt. Die bis 1923 friedlich mit den Türken in enger Nachbarschaft lebende griechische Bevölkerung Kleinasiens und christliche Minderheit muss aus Kappadokien und sonstigen Gebieten Anatoliens auswandern. Die fast 1900 Jahre währende christliche Kultur Kappadokiens erlischt und seitdem leben nur noch türkischstämmige Gruppen islamisch sunnitischen Glaubens in Kappadokien, die oftmals auch aus ehemals türkischen Gebieten des Balkans in den nun geräumten ehemals griechisch-christlichen Siedlungen angesiedelt wurden.

Tourismus - Fluch oder Segen?
Kappadokien wird seit dem Ende der sechziger Jahre vom modernen Massentourismus entdeckt, als nach Indien pilgernde Hippies die landschaftlich attraktive Region als ersten wichtigen Zwischenstop in Asien auserkoren. Mitte der achziger Jahre dann entstand innerhalb kurzer Zeit ein Rucksack-Touristenboom und auch viele Kulturreiseunternehmen bieten nun Kurzreisen und Rundfahrten in Kappadokien an. Es entstehen Hunderte von Hotels, Pensionen und Restaurants unterschiedlicher Kategorie sowie einige Diskotheken und Swimming-Pools. Die neue Situation und der fast ungezügelte Bau von Hotels, Restaurants und Geschäften, bringt einerseits die unweigerliche Zerstörung von Landschaft und regional gewachsener Kultur mit sich, rückt andererseits aber das Gebiet ins Blickfeld der internationalen Öffentlichkeit und bietet natürlich vielen lokalen Ansässigen eine nie dagewesene Einkommensmöglichkeit. Vieles im sozialen und kulturellen Wandel Kappadokiens erfolgt freilich so rasant, dass dies mitunter auch von vielen negativen Auswirkungen begleitet wird.

UNESCO Weltkulturerbe
1985 wird Göreme in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen, was die Aufmerksamkeit zu-sätzlich auf Kappadokien lenkt. Trotz der Auflagen der UNESCO ist der Schutz vor ausufernder Zersiedelung und zerstörerischen Baumaßnahmen nicht immer ausreichend. Auch das Sinken des Wasserspiegels auf den umliegenden Hochebenen ist ein Warnsignal für eine unbedachte Nutzung der Region. Die Umwandlung des ungezügelten Massentourismus in einen gelenkten qualitativen Kulturtourismus ist neben einer besonnenen Modernisierung sicher eine der herausragenden Herausforderungen der nächsten Jahre.

------------------------------------

Anmerkung: Einige Passagen dieses ausführlichen Textes der Geschichte Kappadokiens wurden auszugsweise aus dem Skript von Dr. Jürgen Süß entnommen, die als Textinformation in die, auch von der "Cappadocia Academy" mitunterstützte und in der Produktion befindlichen CD-Rom "Kappadokien, Land der Höhlenkirchen und Vulkane" einfließen.