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Lage | Klima | Vulkanismus| Erosion | Flora & Fauna |


Lage
Das Kerngebiet der heutzutage als "Kappadokien" bezeichnete Region liegt im zentralanatolischen Hochland etwa 300 km östlich der Hautstadt Ankara in einem ca. 25 qkm umfassenden Areal auf einer Meereshöhe von 1000 - 1200 Meter. Geographische Grenzen dieser Tuffregion bilden der Hasan Dag (3253) im Südwesten, der "Rote Fluß" Kizilirmak (Halys) im Norden, der Melendiz Suyu im Südwesten, der Mavruncan im Südosten und der mit 3916 Meter höchste zentralanatolische Vulkan Erciyas Dagi (Mons Argäus) im Osten nahe der Stadt Kayseri. Das Gebiet war einst ein wesentlicher Bestandteil der antiken oströmischen Provinz Kappadokien. Heutzutage ist die touristisch gut erschlossene Region mit dem Zentrum GÖREME Bestandteil der türkischen Provinz Nevsehir.

Klima
Kappadokien wird als Teil Zentralanatoliens durch das Kontinentalklima beeinflusst, welches sich durch heiße, regenarme Sommer und kalte, nicht selten schneereiche Winter auszeichnet. Der durchschnittliche Jahresniederschlag beträgt ca. 350 mm, wobei der meiste Regen gewöhnlich zwischen März und Mai fällt. Der Wind kommt meist aus nördlichen Richtungen und ist oftmals stark böig. Vor allem in den Übergangsjahreszeiten kommt es öfters zu heftigen Gewittern. Die relative Luftfeuchtigkeit beträgt im Jahresmittel ca 55%. Die Jahrestemperatur liegt bei durchschnittlich ca. +11 o C, wobei die Temperaturen im Winter auf unter -20 o C fallen können, im Sommer aber häufig auf über +35 o C im Schatten steigen. Bis auf wenige Wochen im Hochsommer kühlt es in den Nächten generell merklich ab. Nebel kommt kaum vor, jedoch behindert des öfteren, vor allem nach Zeiten starker Windturbulenz, feiner Staub in der Luft Insolation und Aussicht.

Vulkanismus
Kappadokien liegt im Zentrum eines Gebietes ehemals intensiver vulkanischer Tätigkeit, die das heutige Landschaftsbild entscheidend prägte. Ursprünglich war Anatolien von großen Seenplatten und tropischen Sumpflandschaften bestimmt, in denen allerlei Urtiere Pflanzen- und Fleischfressender Art die Population bestimmten. Als sich das Taurusgebirge im Süden weiter erhob, wurden im Inneren Anatoliens große Mengen Lava langsam an die Erdoberfläche gedrückt, die schließlich zur Bildung der uns heute bekannten Vulkane führte.

Im Umkreis der Vulkane Erciyes, Hasan, und den Melendiz Bergketten zwischen den heutigen türkischen Städten Kayseri, Aksaray und Nigde kam es vor allem seit dem Neogen, also in erdgeschichtlich relativ junger Zeit zu bedeutenden Eruptionen, die neben Lava auch große Mengen Tuff-Aschen in ein ca 10.000 qkm großes Gebiet schleuderten, was heute geologisch gemeinhin als die Ausräumungslandschaft von Kappadokien (Barsch, 1935) bezeichnet wird. So erhielt die Landschaft Zentralanatoliens ein komplett anderes Gesicht, was durch sich neu bildende Vulkanberge und sich durch Auswurfmassen nivelierende Schichten bemerkbar machte, die die ehemaligen tiefer liegenden Sumpf und Seenplatten zuschütteten.

Über die Jahrhunderte verdichteten sich diese, durch unregelmässige Ausbrüche entstandenen Schichten vulkanischer Tuffe zu einem relativ festen Gestein, welches je nach Lage und Eruptionshorizont bis heute durch eine ausserordentliche Erosionstätigkeit abgetragen wird. Im weiteren Wechsel zwischen Eruption und Ruhepausen wuchsen die Vulkane weiter an, die damit eine neue Gebirgskette bildeten, die sich parallel zu der zentralen, weiter südlich liegenden Tauruskette erhob. In der Übergangszeit zwischen Pliozän und Pleistozän kam es zu den heftigsten Ausbrüchen, die maßgeblich für die heutige landschaftliche Gestaltung der Region verantwortlich waren. Die vulkanischen Tätigkeiten dauerten bis in geschichtliche Zeit an. Selbst in steinzeitlichen Wandgemälden in der südlich von Konya liegenden Ursiedlung "Catal Hüyük" (ca. 8000 B.C.) wurden Ausbrüche vulkanischer Tätigkeit dargestellt. Bis in das vorletzte Jahrhundert hinein wurde in der Region des Erciyes Dagi bei Kayseri von aktiven Fumarolen und Rauchsäulen berichtet, die allerdings gegenwärtig zum Stillstand gekommen sind.

Durch die Folge von vulkanischen Ausbrüchen dehnte sich das ehemalige Seengebiet um Ürgüp und in den Tallandschaften des späteren Flußes "Kizilirmak" weiter aus. Dies führte zu Sedimentablagerungen von Erden und Tonen, die später vor allem für die Töpferstadt Avanos von Bedeutung wurde.

Erosion
Durch Erdverschiebungen, Erhebungen sowie Eintiefungen der Flußsohle kam es zu einer großflächigen Entwässerung der restlichen Binnenseen, was zu einer starken Erosion führte, die wesentlich das geomorphologische Bild des heutigen Kappadokiens prägt. In der Folge taten äololische, fluviative, atmosphärische sowie thermoklastische Erosionstätigkeiten ihr übriges, um die Landschaft in ihrer bizarren und einzigartigen Art bis in die heutigen Tage zu gestalten.

Der nach wie vor anhaltende Prozess verstärkter Erosion zeigt, wie jung und unausgeglichen die geologischen Verhältnisse im Gebiet des hier behandelten Kappadokiens sind. Nach wie vor werden große Mengen von Tuffmassen ausgeräumt und nach jedem mächtigen Regenguss lassen sich die gewaltigen Erosionskräfte in den Tälern erahnen, die unbarmherzig dezimeter-weise Jahraus-Jahrein neue Strukturen formen und große Mengen Erosionsmaterial wegschwemmen.

In den tieferliegenden Hängen bilden sich durch Erosion mitunter besondere Strukturen heraus; die Tufftürme der für Kappadokien so berühmten Feenkamine (peri bahcalari), die durch härtere, oben liegende Schichten vulkanischer Tuffe bis zu einer gewissen Zeit geschützt werden. Erst wenn die schützende Bedeckung abrutscht, kommt es vor allem durch Einwirkungen von Wind und Wetter zu einer verstärkten Erosion, welche die ehemaligen Kegel relativ schnell dahinschmelzen läßt.

Hinzu kommt die Erosionstätigkeit des Menschen, der viele der Tufformationen zu Wohnzwecken ausgehöhlt hat, die oftmals bis in die höchsten Spitzen der für Kappadokien so berühmten Tuffkegel reichen.

Während diese Form der Aushöhlungsachitektur in besonderem Masse ein Beispiel besonderen schöpferischen Wirkens darstellt, so bedeutet es vom gesteinsgeologischen und geomorphologischen Standpunkt aus etwas Negatives, das durch oftmals statisch unbedachte Aushöhlung die Erosion nur beschleunigt wird. Dies führte letztendlich dazu, dass im Rahmen der Erfassung des Gebietes Kappadokien als Weltkulturerbe der UNESCO ein Verbot zur weiteren unbedachten "Aushöhlung" ausgesprochen wurde, um die Erosionsdynamik nicht unnötig zu beschleunigen.

Als Ausblick für eine zukünftige Vermeidung verstärkter Erosion der oftmals faszinierenden Tuffkegel und Formation ist anzustreben, dass in jedem Einzelfall nach gültigen Maßnahmen gesucht werden muss, indem man Felskegel und Nadeln repariert, Anbauten und Agglutinate saniert, vorhandene Risse auffüllt, klammert und festigt. Nur dadurch und durch das bewußte "In Patenschaft nehmen" von einzelnen besonders erhaltenswerten Strukturen kann vermieden werden, dass die außerordentliche Erosionstätigkeit in dem Tuffgebiet Kappadokiens ungehindert ihren doch relativ schnellen Lauf nimmt.

Flora & Fauna
Unbewirtschaftet ist das semiaride Gebiet Kappadokiens weitgehend durch Steppenvegetation geprägt, die in den zerklüfteten Tälern vereinzelt mit Buschwerk und Wacholder durchsetzt ist. Lediglich an den Tufformationen und steilen Erosionshängen der Täler fehlt weitgehend jede höhere Vegetation. Vor allem in den engeren und meist feuchteren Tälern gibt es hingegen eine Vielzahl bunt blühender Kräuter und Gräser, die teilweise von den Einheimischen zur Nahrung, oder auch zu Heilzwecken genutzt werden.

Kultiviert und in Gärten angelegt werden allerlei Obstbäume, wie Quitten, Apfel, Birne, Aprikose, Pflaumen oder auch Walnuss und Maulbeere neben dem verbreitetsten Nutz- und Bauholz der Region, der Pappel, welche  nahe den wasserführenden Läufen wächst. Kappadokien eignet ich auch hervorragend zum Anbau von Weintrauben, da die poröse Tufferde die wenigen Niederschläge  hervorragend zu speichern vermag. Auf den größeren Feldern wird oft Weizen angebaut, der von den Einheimischen meist zu "bulgur", gröberen Weizengries verarbeitet wird. In den kleiner parzellierten Gemüsegärten gedeihen vor allem Kürbisse, Melonen, Bohnen, Kichererbsen, Zwiebeln, Kartoffeln und Tomaten neben Blattgemüse, Minze und anderen Gartenkräutern.

Tiere wie Pferd, Maultier, Esel, Rind, Schaf, Ziege, Hund, Katze, Huhn & Truthahn die neben der Vielzahl an Tauben, die in eigens in den Tufffelsen gehauenen Schlägen gehalten werden, zählen zu den wichtigsten Haustieren Kappadokiens. An undomestizierten Tieren finden sich in der Region reichlich Steppenmäuse, ferner Kaninchen, Landschildkröten (Testudo graeca ibera), Eidechsen und einige wenige scheue und ungiftige Schlangen, die von Raubtieren wie Fuchs, Marder, Falke oder den wenigen Adlern der Region gejagt werden. Nur ausnahmsweise einmal verirren sich in den seltenen tief verschneiten Wintern einmal Wölfe in die umliegenden Täler von Göreme. Ein weitgehend geruhsames Leben führen hingegen die Schildkröten und die große Anzahl von Singvögeln verschiedener Art. Als schmerzhaft gilt der Biss der ungiftigen, aber mitunter sehr aggressiven aber seltenen Walzenspinne (Solifugide), die obwohl Aussehen und Name jener dies vermuten lassen, nicht zu den eigentlichen Spinnentieren zählt. Häufiger, aber sehr scheu und i.d.R. unter Steinen versteckt ist der gelbe quergestreifte Skorpion (Mesobuthus eupeus). Sein Stich ist giftig aber nicht fatal. Die Folgen sind "warme" lokale Schmerzen in den ersten 30 Minuten und im schlimmsten Fall anschließendes 24 Stunden Unwohlsein mit leichter Gliedertaubheit und Brechreiz. Neben allerlei anderem Kreuch- und Fleuchgetier der harmlosen und nützlichen Art aus dem Reich der Insekten variiert die Mini- und Mikrofauna vor allem innerhalb der Siedlung je nach Saison und Lage durchaus erheblich.

 

Weiterführende Literatur

Barsch, Gerhard. 1935. Die Tuffkegelbildung in der Ausräumungslandschaft von Ürgüp in Mittelanatolien; Jahrbuch der geographischen Gesellschaft; Hannover

Andolfato, Ugo & Zucchi, Franco. 1972. Die physischen Gegebenheiten. (S. 51-66) In: Kunst in Kappadokien. Hg. Giovannini, Luciano; Nagel Verlag, Genf